Marketingkolumne aus "Der Mittelstand." Ausgabe 2/2014, Siegbert Mattheis

Macht das Spaß oder tut das weh?

Wie Gamification die Werbung unterhaltsam macht und zum Umsatztreiber werden kann

Der Begriff Gamification wurde zwar schon 2008 eingeführt, ist aber noch relativ unbekannt. Doch inzwischen etablierte sich der Begriff in Fachkreisen als neues Marketingwort. Gemeint ist die Anwendung von Spielmechanismen und -elementen in spielfremden Umgebungen.

Das Thema an sich ist nicht neu, Aktionen wie Prämienpunkte sammeln beim Einkaufen oder Meilen beim Fliegen kennt jeder. Und in Unternehmen ausgehängte Ranglisten (auch Rennlisten genannt) von Vertriebsleuten sind seit langer Zeit üblich. Durch die digitalen Möglichkeiten hat sich das Anwendungsfeld jedoch deutlich vergrößert, und es ist viel einfacher möglich, dem Teilnehmer sofort Feedback zu geben beziehungsweise von ihm zu erhalten.

Gamification findet sich mittlerweile im e-Commerce und der Kundenbindung, in Lernspielen zur Wissensvermittlung und in der Mitarbeitermotivation. Aber auch in das Privatleben halten spielerische Anwendungen Einzug und sorgen für eine Art Wettbewerb: Wer hat die meisten Freunde bei facebook oder google+? Wie oft wird ein Twittereintrag retweetet? Und sogar Joggingrunden machen vielen Menschen nur noch dann Spaß, wenn via Lauf-App auf dem Smartphone anschließend Zeit und Kilometer in den sozialen Netzwerken veröffentlicht und von anderen „geliked“ werden.

Warum Gamification funktioniert

Gespielt wird, seitdem es Menschen gibt. Spielerisch entwickeln und erproben wir als Kind unsere Fähigkeiten. Unser Gehirn braucht Reize, um zu lernen und damit letztendlich auch überlebensfähig zu werden. Aber nur wenn ständig neue und positive Impulse kommen, entwickeln wir uns wirklich weiter. Darin liegt auch der Erfolg von Gamification: Je mehr Spaß es macht, etwas zu lernen, desto größer und nachhaltiger ist der Lernerfolg.

Vereinfacht gesagt, stellt sich unser Gehirn ständig die Frage: „Macht das Spaß, ist das gut für mich, langweilt es mich oder tut das weh?“ Denn wenn etwas Freude bereitet, lässt unser Gehirn die Information ins Langzeitgedächtnis, belohnt uns mit Glückshormonen und speichert es als positive Erfahrung. Andernfalls wird die Information blockiert.

Und Lust auf etwas Spielerisches haben wir alle, nicht nur Kinder. Ein Blick auf den Online- und Videogamesbereich zeigt, dass allein in Deutschland über 25 Millionen mehrmals die Woche ein Spiel spielen, dabei liegt das Durchschnittsalter bei 32 Jahren.Auch spielen inzwischen fast genauso viele Frauen wie Männer.
Führende Forschungsinstitute wie Gartner aus den USA sehen Gamification als ein überaus starkes Werkzeug an, um Mitarbeiter, Kunden und die Öffentlichkeit zu einem veränderten Verhalten zu bewegen, Fähigkeiten zu fördern und zu entwickeln sowie Innovationen voranzutreiben.

Hier einige Beispiele:

• Gamification im Tourismus: Der Tourismusverband Norwegen ließ für seine Skiregion Holmenkollen ein simples Skisprung­spiel für die Webseite entwickeln, bei dem User den optimalen Zeitpunkt für Sprung und Landung eines Skispringers per Klick herausfinden müssen. Man kann seine Sprünge auch in einer Highscoreliste eintragen. Dieses Spiel bescherte der Webseite bis heute sechs Millionen Klicks zusätzlich und ist das wichtigste Marketingtool für die Region.
www.games.visitnorway.com

• Gamification im Alltag: Volkswagen untersuchte in mehreren Aktionen, ob und wie man das Verhalten von Menschen durch Gamification positiv beeinflussen kann, zum Beispiel, dass mehr Menschen Treppen laufen, statt die Rolltreppe zu benutzen. Das gelang, indem man die Treppenstufen wie ein Piano mit einzelnen Tönen unterlegte. Weil die Menschen dadurch auf spielerische Weise Melodien erzeugen konnten, nutzte kaum jemand mehr die Rolltreppe. www.thefuntheory.com

• Gamification im Supermarkt: Target ist nach Wal-Mart der zweitgrößte Discounteinzelhändler der USA. Das Unternehmen gamifizierte die Kassensysteme in einigen Filialen, das heißt, die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Kassierer wurde ermittelt und dies unmittelbar nach jedem Kassiervorgang in Form eines visuellen Feedbacks mit Tönen und grünen Lichtern zurückgemeldet.

• Gamification auf Fruchtgetränke-Webseite: „Kauf einen Smoothie und rette eine Biene!“ Diese Aufforderung findet man auf der Innocent-Webseite, wenn man oben im Menü auf „langweilig?“ geht. Von dort gelangt man auf eine Pinnwand mit allerhand unterhaltsamen und wissenswerten Infos rund um das Unternehmen. Und wer auf das dort angepinnte Bienenbild klickt, gelangt auf eine Seite mit Spielen und interaktiven Fragen und Antworten zum Thema Naturschutz. www.innocentdrinks.de

• Gamification für Zielgruppe Kinder: Naheliegend ist es, Produkte für Kinder auch mit spielerischen Komponenten zu bewerben. Und zwar so, dass es sich nicht wie offensichtliche Werbung anfühlt. Eine Vielzahl von kleinen Spielen gibt es auf der Webseite von Lego. Geschickt werden hier die Produkte in Handlungen eingebaut. www.lego.com
HARIBO geht sogar noch weiter und lädt zum Besuch in die HARIBO-City. www.haribo.com
Schokoladenfreunde lädt die Milka-Webseite zum Daueraufenthalt in der „Kuh-Munity“ mit Spielen, Verlosungen und Downloads ein. www.milka.de

• Gamification für Biertrinker: Berliner Pilsener hat zahlreiche Spiele auf der Webseite wie zum Beispiel „Schrebergarten-Schnipper“, „Tresen-Quiz“ oder das Taxispiel „Wer-weiß-wo?“. Die Punktezahl kann man mit Freunden teilen und gleichzeitig mit ihnen das eigene Berlin-Level steigern, welches von Tourist bis 100-Prozent-Berliner reicht. www.berlin-wunderbar.de

• Gamification in Azubiwerbung: Die Commerzbank sucht Auszubildende und hat dafür eine eigene Webseite mit einem spielerischen Self-Assessment eingerichtet, wo interessierte Jugendliche selbst testen können, ob sie für eine Karriere bei der Bank geeignet sind: www.probier-dich-aus.de

• Gamification als Messewerbung: „Fahre den Prototypen zur Automechanika nach Frankfurt“, so lautete der Auftrag zum Spielbeginn auf der Webseite oder der App. Das demolierte Fahrzeug muss mit Pfeiltasten über verschiedene Stationen von Werkstatt bis Waschanlage zur Leitmesse für Fahrzeugteile
gesteuert werden. Rund 18.000 Spielaufrufe auf der Webseite und 2.000 heruntergeladene Smartphone-Apps verzeichnete die Messe Frankfurt bei einer Verweildauer von durchschnittlich 5,5 Minuten. www.automechanika-racer.com

Drei Tipps zum Einsatz von Gamification:

  1. Ein Spiel oder spielerische Elemente auf Ihrer Webseite (möglichst natürlich mit Bezug zu Ihrer Dienstleistung oder Ihrem Produkt) kann die Aufenthaltsdauer der Besucher deutlich verlängern. Neben dem positiven Effekt, dass Ihr Unternehmen dadurch sympathischer wirkt, sorgt dies für ein besseres Ranking bei den Suchmaschinen.
  2. Für einen möglichst hohen Spaßfaktor sind leicht verständliche Regeln und eine intuitive Bedienung wichtig.
  3. Bauen Sie auch in interne Schulungen oder Kunden-Präsentationen in kurzen Abständen eine spielerische Überprüfungsmöglichkeit des Lernerfolgs mit Belohnungsfaktor ein.

Siegbert Mattheis

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