Wie gelangt relevanter Inhalt in das Sichtfeld der jeweiligen Zielgruppe? Wie schafft man es, dass sie sich damit beschäftigt, sie im besten Fall auch mit anderen teilt? Und wie gelingt eine dauerhafte Verankerung im Gedächtnis?

Je mehr Sinne am Aufnahmeprozess beteiligt sind, desto besser lernen und erinnern wir. Die Erinnerungsleistung beim reinen Lesen eines Textes zum Beispiel liegt lediglich bei etwa 10 %. Wenn wir jedoch etwas selbst tun, also so gut wie alle Sinne einbeziehen, beträgt die sog. Behaltensleistung schon 90 %! (1)

Hinzu kommt, dass insbesondere die Rolle von Emotionen beim Lernen kaum zu unterschätzen ist. Neuere Untersuchungen in Gehirnforschung und Pädagogik bestätigen, dass Lernen bei guter Laune am besten funktioniert. (2)

Wie lassen sich nun diese und viele weitere Erkenntnisse aus der Gehirnforschung für die Kommunikation nutzen, insbesondere in den digitalen Medien?

Einzigartige Inhalte

Der wichtigste Punkt ist sicherlich einzigartiger Content aus glaubwürdiger Quelle. Und dieser sollte selbstverständlich neu, überraschend und unerwartet sein. Und es sollte schnell klar werden, ob er relevant für den Leser ist, ihm weiterhilft oder ihn unterhält. Wenn dabei noch eine (spannende) Geschichte erzählt wird, umso besser. Langeweile kann tödlich sein.

 

In ihrem 2008 erschienenen Buch „Was bleibt (hängen)?“ filterten die amerikanischen Autoren Chip und Dan Heath in ihren Studien 6 Kriterien heraus, die dazu führen, dass Inhalte schneller verstanden werden und im Gedächtnis bleiben. Sie sollten einfach, unerwartet, konkret, glaubwürdig sein und ein Geschichte erzählen. Und Emotionen wecken.

Emotionen wecken durch eine positive User Experience

Positive Emotionen beginnen bereits, wenn die Benutzerführung und grafische Oberfläche so gestaltet sind, dass man sich intuitiv zurechtfindet und weiß, was als Nächstes zu tun ist, ohne eine Gebrauchsanleitung lesen zu müssen. Das gilt gleichermaßen für Webseiten und Apps.

So sollten alle weiterführenden Links zum einen als solche klar gekennzeichnet sind und zum anderen mühelos klick- bzw. tippbar sind und auch zum gewünschten und angezeigten Ergebnis führen. Leider gibt es selbst bei dieser einleuchtenden Erkenntnis noch viel zu viele schlechte Beispiele, sowohl in der analogen wie auch digitalen Welt.

 

Gamification, Serious Games

Gamification bedeutet die Übertragung von spieletypischen Elementen und Funktionen in eine spielfremde Umgebung.

Spiele gehören in allen Kulturen zum universalen Erbe der Menschheit dazu. Ein Großteil unserer kognitiven Entwicklung und motorischen Fähigkeiten resultieren aus Spielen. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass Spielen unser Gehirn in einen ganz besonderen Art und Weise anregt und uns bspw. motiviert, nach neuen Lösungen zu suchen.

Hierbei geht es nicht darum, wie bei vielen (von einigen auch verpönten) Spielen, die Zeit totzuschlagen, also der Langeweile zu entfliehen, sondern den uns angeborenen Spieltrieb zu nutzen, um Inhalte schneller zu übertragen und einfacher zu kommunizieren.

Dabei spielt die Thematik keine Rolle, selbst sog. trockene Materie wie  Mathematik, Altersvorsorge oder ernste Themen wie eine gesunde Ernährung können durch spielerische Ansätze, sog. Serious Games schneller erlernbar, besser verstanden und um ein Vielfaches erfolgversprechender umgesetzt werden.

Die Sinne Sehen und Hören in der Kommunikation

Jahrtausendelang wurden Inhalte größtenteils über Schrift, Malerei und Weitererzählen vermittelt. Der Durchbruch des Buchdrucks ermöglichte erstmals ein größeres Publikum mit Schrift und Illustration zu erreichen, 400 Jahre später auch mit fotografischen Abbildungen.

Durch den Boom der Tageszeitungen Ende des 19. Jahrhunderts konnten  Nachrichten mit einer nur geringen zeitlichen Verzögerung und an weit größere Bevölkerungsschichten verbreitet werden. Anfang des 20 Jahrfunderts bot das Kino erstmals die Möglichkeit, Inhalte über bewegte Bilder zu vermitteln. Nur wenige Jahre darauf war mit dem Radio und dem gesprochenen Wort das erste Echtzeitmedium in der Informationensübermittlung geboren. Ab den späten 50er Jahren folgte der Siegeszug des Fernsehens mit Film und Ton.

Die Entwicklung des Internets haben wir alle ab Mitte der 90er Jahre live mitverfolgen können.

Dabei wurden jedoch immer nur die beiden klassischen Sinne Sehen und Hören angesprochen. Die wichtigsten weiteren Sinne, Schmecken, Riechen und Tasten blieben lokal begrenzt.

Die neue Möglichkeit: der Tastsinn

Erst seit einigen wenigen Jahren, mit der massenhaften Verbreitung von Touchgeräten kommt einer dieser drei, der Tastsinn oder der kinästhetische Kanal hinzu, um die Verbreitung und Verankerung von Inhalten zu unterstützen. Und ihm kommt einer der wichtigsten Faktoren beim Speichern von Erinnerungen zu. In letzter Zeit sind eine Reihe von Büchern entstanden, die sich mit diesem Kanal im Hinblick auf Kommunikation intensiver auseinandersetzen und wertvollen Erkenntnisse vermitteln. Zum Beispiel, dass die Streichhaltung zwischen Daumen und Zeigefinger oder „Pinzettengriff“ das evolutionsbiologisch wohl älteste errungene Bewegungsmuster des Menschen ist. (3)

Praxisbeispiele

Mit einer ansprechenden und intuitiv zu bedienenden grafischen Benutzeroberfläche,  wie dem Ziehen eines Dokuments in den Papierkorb, begann der Siegeszug von Apple. Gamification beginnt unserer Ansicht bereits hier, bei der Freude bereitenden Gestaltung und Animation von Inhalten. Ein hervorragendes Beispiel aus den letzten Jahren bildet das „angstvolle“ Zittern der installierten Apps bei Apple, wenn man vorhat, Apps zu löschen oder das „sich in Luft auflösen“ eines Icons, wenn man es aus dem Dashboard eines Apple Computers entfernt. Schon solche minimalen Interaktionen werden als Belohnung empfunden und bestätigen eine richtige Handlung oder warnen bei einer falschen.

Freiwischen, Drehen, Vergrößern, Streichen oder auch das Nachzeichnen beispielsweise einer zu lernenden Schrift mit dem Finger sind weitere, stärkere Aktionen, die die Freude bereiten und das Erinnern unterstützen.

Mit sog. Mini-Games, bei denen man in einem bestimmten Rahmen oder Zeitfenster kleine inhaltsbezogene Aufgaben löst und dafür mit Punkten oder anderen Gewinnen belohnt wird, kommt man dem klassischen Spielen schon recht nahe.

Was ist das Ziel?

In allem geht es darum, die spielerischen Elemente oder Funktionen im Sinne der zu vermittelnden Inhalte zu verwenden. Die Frage dabei, die man sich immer stellen sollte, ist: „Was sollte beim User am Ende hängenbleiben, was ist das Ziel?“

Dabei sollten so viele Sinnesanregungen wie möglich (aber auch so wenig nervende oder unnötige wie möglich) zum Beispiel eine Farbe, ein Bild, ein ansprechendes gestalterisches Element, eine unterstützende Sprache oder ein bestätigender/ablehnender Ton hinzugefügt werden. Und es sollte auf eine größtmögliche Selbstbestimmtheit geachtet werden. Dem Leser sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich den Inhalt selbst anzueignen, be-greifbar zu machen.

Weniger hilfreich sind automatisch ablaufende Aktionen, auf die der User keinen Einfluss hat. Ein Video auf Abruf ist zwar zunächst eine aktive Aktion, dann aber nicht selbstbestimmt außer durch Anhalten. Dennoch kann ein Video oder eine Hörsequenz an sich geeignet sein, um Inhalte anschaulicher zu vermitteln.

Geruchs- und Geschmackssinn

Die beiden noch fehlenden Sinne, Schmecken und Riechen, können zwar (bisher) noch nicht bedient werden, dennoch können sie indirekt angesprochen werden. Beispielsweise, wenn das Bild eines Getränks mit einem entsprechenden Gluckergeräusch unterlegt ist, oder ein dampfender Kaffee gezeigt wird.

Im Folgenden sehen Sie einige Beispiele, wie nachhaltige Kommunikation gelingen kann.

 

Quellen:

(1) Die Behaltensleistung in Anlehnung an Pispers (2011), S. 75)

(2) “Nervenkitzel – Neue Geschichten vom Gehirn”, Manfred Spitzer, Suhrkamp, S. 68 ff.)

(3) „Besser fix als fertig: Hirngerecht arbeiten in der Welt des Multitasking“ von Bernd Hufnagl, Molden Verlag, S. 213 ff)